Die Priesterin der Insel by Juliet Marillier

Die Priesterin der Insel by Juliet Marillier

Autor:Juliet Marillier [Marillier, Juliet]
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Das Letzte, was Nessa erwartet hätte, als sie das Ufer entlang zum Frauenort kam, war, dort ein Mädchen zu finden. Das Mädchen war jung, vielleicht vierzehn, und hatte ein angenehmes Gesicht und feines helles Haar. Sie trug einen langen, grob gewebten Umhang mit einer kleinen Kapuze und feste Stiefel. Es war eine von ihnen, von Somerleds Leuten. Das Mädchen stand vor der Hütte, während Rona sie mit Worten beschimpfte, die sie nicht verstehen konnte.

»Es hat keinen Sinn herzukommen, wenn du dich nicht mal verständlich machen kannst. Das hier ist ein heiliger Ort, ein verbotener Ort. Die von deinem Volk sind hier nicht willkommen. Und jetzt verschwinde!«

»Ich möchte nur – meine Herrin möchte – ich kann nicht zurückkehren, ohne …« Die Stimme des Mädchens zitterte nervös; sie rang die Hände.

»Was soll dieser Unsinn! Du weißt doch, dass ich kein Wort von dem, was du da sagst, verstehen kann. Verschwinde hier, bevor ich dich in einen Käfer verwandle!« Rona verzog den Mund zu einer wilden Grimasse und zeigte ihre braun gewordenen Zähne und die Lücken dazwischen. Das Mädchen zuckte zusammen, aber es wich nicht zurück.

Nessa hüstelte höflich. »Ich kümmere mich schon um sie, Rona«, sagte sie leise und ging zur Hütte, um ihre Tasche vor die Tür zu stellen und der alten Frau einen Kuss auf die Wange zu drücken. Der Hund hatte sich zum Turm in der Erde davongeschlichen, vielleicht auf der Suche nach seiner Gefährtin. Von Eyvind gab es keine Spur. Sie hatte wohl Recht gehabt mit ihrer Vermutung, dass er verschwunden war.

»Sie will einfach nicht gehen«, knurrte Rona. »Sie will irgendwas, aber sie kann mir nicht sagen, was. Es muss wichtig sein. Sie hat einen langen Weg hinter sich, und es ist ihr sichtlich unangenehm, hier zu sein.«

»Ich werde mit ihr reden«, schlug Nessa vor. »Warum gehst du nicht rein und wärmst dich ein bisschen auf?«

»Du kannst sie gerne haben«, murmelte Rona. »Waisen und Streuner machen oft mehr Ärger, als sie wert sind, wenn du mich fragst. Du hättest nach deinem weiten Weg sicher gern einen Becher Tee. Der Wind ist schlimm genug, um einem das Mark in den Knochen gefrieren zu lassen.« Sie verschwand in der Hütte.

Nessa wandte sich dem Mädchen zu und sprach sie in der Sprache von Eyvinds Leuten an. »Du bist an einen verbotenen Ort gekommen«, sagte sie. »Vielleicht hast du das nicht gewusst. Deine Leute sind auf unserem Land nicht willkommen. Warum bist du hier? Was willst du?«

»Ich habe gehört – meine Herrin hat gehört –, dass es hier eine weise Frau gibt«, brachte das Mädchen mit vor Angst beinahe atemloser Stimme hervor. »Ich wollte nur – es heißt, sie kann Zauber wirken und Zaubertränke bereiten – ich wollte nur …«

»Brauchst du Hilfe? Ein treuloser Geliebter, ein grausamer Herr? Wir bieten hier keine so einfachen Lösungen; wir haben keine schnell wirkenden Heilmittel, die ein Problem einfach aus der Welt schaffen.«

»Sie sagten – sie sagen, die weise Frau …« Das Mädchen warf einen Blick zu der Hüttentür; das Klirren von drinnen verriet, dass Rona gerade den Eisentopf mit dem Wasser aufsetzte.



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